Samuel Becketts „Endspiel“ am Theater RambaZamba
Sie können nicht miteinander, sie können aber auch nicht ohne einander: Ein Zustand hasserfüllter Abhängigkeit herrscht zwischen dem tyrannischen, aber hilflosen Hamm und seinem Diener Clov. Hamm ist blind und ohne die Fähigkeit, seine Beine zu bewegen, Clov der einzige Mensch, der sich noch um ihn kümmern kann. Sie sind einander alles, was sie noch haben und das verachten sie am Meisten. Unfreundlich und achtlos wirft Clov Hamm immer wieder zurück auf seinen Sitzsack. Er hasst Hamm, er will ihn verlassen. Aber das würde den Tod für beide bedeuten. Denn Hamm ist der einzige, der Zugang zu den verbliebenen Lebensmitteln hat. „Kann es ein Elend geben, das erhabener ist?“
Niemand kann sich verstecken
In Samuel Becketts „Endspiel“ warten die Figuren auf ein Ende. Alles ist vergänglich, alles ist schon vergangen, nur sie nicht. In dieser postapokalyptischen Szenerie gibt es keine Sonne mehr, keine Flut, keine Pralinen. Immer wieder fragt Hamm, ob es denn schon Zeit für seine Beruhigungspillen sei. Clov antwortet stets „noch nicht“, bis er gegen Ende des Stückes dann die Hoffnungen raubt: „Es gibt kein Beruhigungsmittel mehr. Du wirst nie wieder ein Beruhigungsmittel bekommen.“
Regisseur Jacob Höhne inszeniert Becketts Stück im Theater RambaZamba vor einem großen Spiegel. Das Publikum wird gespiegelt, die Schauspieler ebenso. So gewinnt das Geschehen mehrere Perspektiven, der Blickwinkel verschiebt sich nach Bedarf. Niemand kann sich in seiner passiven Zuschauerrolle verstecken, denn er wird selbst auch zum Objekt der Beobachtung. So wird man gezwungen, sich selbst auf die Finger zu gucken.
Unwirkliches Leuchten
Dazu zwingt die ganze Inszenierung. Hamm, der seine Beine nicht bewegen kann, robbt langsam über die Bühne. Der Zuschauer wird damit konfrontiert, dass sein im Alltag etabliertes Verbot, auf jemanden zu starren, der nicht der Norm entspricht, hier nicht mehr funktioniert. Ja, dass der Zuschauer geradezu zum Glotzen gezwungen wird. Man sieht Sven Normanns Hamm dabei zu, wie er sich mit Anstrengung vorankämpft und bemerkt zum ersten Mal, dass man lieber wegschauen würde. Und zwar nicht aus Höflichkeit, sondern weil es unangenehm ist, zu sehen, wie etwas, das für den einen so selbstverständlich ist, für einen anderen Menschen zum Kraftakt wird.
Der Spiegel erfüllt aber auch noch einen weiteren Zweck. Er wird bei Bedarf zum durchsichtigen Schaufenster und gibt den Blick auf Hamms Eltern frei. Der Vater trägt eine Maske, die Mutter schäkert und knutscht einen Dritten. Unwirklich, wie Projektionen, leuchten sie aus dem bunten Raum herüber, ebenfalls gefangen in der Abhängigkeit einer erloschenen Welt. Hamm missbraucht die Macht, die ihm das Nahrungsmonopol verschafft für das gnadenlose Ausleben seiner Misanthropie.
Huster und Hänger
Höhne lässt Clov den ganzen Abend über Babypuder auf der Bühne verteilen – eine Geste, die Lunge und Geist irritiert. Immer wieder wird im Zuschauerraum gehustet. Sven Normann als Hamm hat oft Hänger und ruft mitten im Satz laut „Text“. Die Texthänger kaschiert er hervorragend mit authentischen Verwirrungsspielchen, wenn er auf den Einruf der Souffleuse antwortet, statt ihn zu wiederholen, so dass erst einmal unklar bleibt, ob das Teil der Inszenierung ist. Erst beim Schlussmonolog wird klar, dass der Text an manchen Stellen wirklich fehlt, was seiner schauspielerischen Leistung keinen Abbruch tut. Der Aufführung leider schon.
Nicht Jonas Sippel hatte die Hänger, sondern Sven Normann!!
Stimmt, danke für den Hinweis. Wir haben das umgehend geändert.