Die Zukunft gelebter Fantasie ist jetzt

Kritik in einfacher Sprache

„Willkommen zu Lived Fiction“, sagt eine Stimme. Die Stimme hat einen Namen: Dan. Früher habe Dan mit den anderen getanzt. Auch er war Teil der Stopgap Dance Company aus England. Die Company ist beim Festival NO LIMITS eingeladen. Dan stellt alle Informationen zum Thema „Access“ (Zugang und Barrierefreiheit) vor. Rechts und links neben der Bühne sind sieben orangene Stühle aufgestellt. Sechs Tänzer*innen stehen in einer Reihe auf der Bühne bereit. Auf der linken Seite der Bühne steht ein Tisch. Dort sitzt jemand mit dem Namen Lily. Lily hat einen Laptop vor sich. Nach der Beschreibung ihres Aussehens erklärt Lily, dass dey für die Audiodeskription zuständig sei. Das heißt, dass das, was auf der Bühne passiert, von Lily in Worten beschrieben wird. Dann werden die Tänzer*innen vorgestellt: Hannah, Christian, Jannick, Emily, Mo und Nadenh. Es ist ein Ensemble mit Tauben und neurodiversen Menschen.

Eine Person links, Lily Norton hält ein Mikrofon und stützt sich an einem Schreibtisch ab. Auf dem Schreibtisch stehen ein Laptop, ein Mikrofon und eine Tischlampe. Sie und eine Tänzerin schauen auf den Boden, wo zwei Tänzer unter dem Schreibtisch liegen.
Lily Norton (li) beim Beschreiben der Bewegungen der Tänzer*innen der Stopgap Dance Company, Foto: Michael Bause

Die Tänzer*innen kreisen ihre Füße auf dem Boden. Schultern bewegen sich im Rhythmus auf und ab. Gemeinsam atmen sie ein und aus. Sie tanzen abwechselnd allein, als Duo oder in der Gruppe. Wenn Emily auf der Bühne ist, sagt Lily, sie bewege sich wie ein Insekt. Sie fängt immer wieder die Luft mit ihrer Windjacke ein. Dann tanzt Nadenh mit ihr. Nadenh bewegt sich in seinem Rollstuhl. Mal balanciert er auf einem Rad und schaut uns an. Mal drückt er sich wie beim Breakdance mit dem Gesicht am Boden ab.

Dann fühlt sich Lily nach „Stimming“. Stimming ist ein Verhalten von Körpern wie Klopfen, Klatschen, Wippen. Es hilft Menschen mit Autismus, Emotionen zu durchlaufen oder Gedanken zu sortieren. Aber auch Menschen, die nicht auf dem Spektrum sind, machen das. Ich fand es gut, dass Lily hier eigene Bedürfnisse eingearbeitet hat. Denn Lily ist Teil des Ganzen. Es gibt auch einen Tanz zu einer Musik, die mich an Voguing/Ballroom erinnert. Ich kenne diese Musik von Drag-Shows, wo es auch ums Posieren geht. Es würde passen, denn auch hier geht es darum, sich in seiner Haut wohlzufühlen.

Ein Tänzer, Jannick Moth stützt sich seitlich mit der linken Hand auf dem Boden ab. Eine Tänzerin, (Mo)nique Jarret sitzt mit ausgestreckten Beinen darunter und schaut zum Publikum.
Tanz-Duett zwischen Mo(nique) Jarrett und Jannick Moth, Foto: Michael Bause

Nach einer kurzen Pause laufen erst drei Tänzer*innen schnell im Kreis. Zwei andere sitzen nah beieinander. Wieder gibt es Duette, zum Beispiel zwischen Christian und Mo. Und eine Szene nur mit Hannah. Lily gibt ihr dafür das Mikrofon. Hannah erinnert sich: „There was a clock, tick, tick, tick“, eine Ballerina drehte sich. Es geht um einen „Tanz im Kopf“, um die Bewegung von Gedanken.

Das Besondere an diesem Abend ist die Harmonie zwischen allen. Alle sorgen sich hier um einander. Das spürt man in den Bewegungen. In „Lived Fiction“ gestaltet die englische Stopgap Dance Company mit Tanz die Zukunft. Übersetzt heißt „Lived Fiction“ gelebte Fantasie. Zu schön, um wahr zu sein? Nein! Die Zukunft ist jetzt. Es liegt auch an uns, diese Fantasie zur Realität zu machen.