„Bauchgefühl“, inszeniert vom feministischen Performancekollektiv hannsjana in Zusammenarbeit mit Mitgliedern des Theaters Thikwa, widmet sich einem selten diskutierten, aber politisch bedeutenden Thema: der Schwangerschaft und Elternschaft von Menschen mit Behinderung. Was bedeutet es, als behinderte Person in unserer Gesellschaft schwanger zu sein? Die etwa 70-minütige Aufführung im Berliner Theater Thikwa nimmt das Publikum mit Mut und Feingefühl auf eine parodistische Reise mit, die gleichermaßen zum Nachdenken anregt wie unterhält. Das Stück wird von einem mixed-abled, weiblich gelesenen Cast gespielt. So werden verschiedene eigene Perspektiven ‘authentisch’ zusammengestellt und zugleich ‚kollektiviert‘, weil sie eben alle gemeinsam angehen.
Das Bühnenbild ist bewusst minimalistisch gestaltet. Eine offene Spielfläche vorn, mit Vorhängen im Hintergrund, die bei Bedarf in das Bühnengeschehen integriert werden. Diese Einfachheit lenkt den Fokus auf den Inhalt und die zwischenmenschlichen Interaktionen der Spielerinnen. Kostüme in verschiedenen Rot-, Pink- und Lilatönen erinnern an Kleidung aus (Schwangerschafts-)Yoga- oder Pilateskursen. Der Einsatz großer Gymnastikbälle und Sitzkissen ermöglicht passend dazu vielfältige, choreografische Darstellungen. Auch Musik und Popkultur spielen eine zentrale Rolle, indem bekannte Songs der Inszenierung eine besondere Dynamik verleihen. Textpassagen, musikalische Sequenzen, Gesangseinlagen und Choreografien bieten dem Publikum ein abwechslungsreiches Erlebnis. Videoprojektionen ergänzen das Bühnengeschehen um eine zusätzliche visuelle Ebene.
Wie angedeutet, entsteht durch die Tatsache, dass die Performerinnen von „Bauchgefühl“ in vielfacher Weise selbst von dem Thema „betroffen“ sind, eine besondere Glaubwürdigkeit. Ein zentrales Mittel ist dabei der Humor. Auf diese Weise wird das ernste Thema verhandelbar und die Atmosphäre bleibt entspannt und einladend. Bemerkenswert ist der bemutternde Ton, mit dem das Publikum gleich zu Beginn angesprochen wird. Hier verbirgt sich ein Kommentar auf die gesellschaftlich immer noch verbreitete Infantilisierung von Menschen mit Behinderung. Sie zeigt sich nicht nur in alltäglicher Bevormundung, sondern auch in der übergriffigen Auffassung, dass sie selbst vielleicht lieber keine Eltern sein sollten. Diese Sichtweise wurzelt in tiefsitzenden ableistischen Vorurteilen.
„Bauchgefühl“ thematisiert die institutionellen und sozialen Barrieren, die z.B. Menschen mit Downsyndrom oder Lernbehinderung im Weg stehen. Wir erfahren auch, dass Menschen mit Behinderung in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und zwangssterilisiert wurden. Letzeres ist ein Erbe, das bis heute nachhallt. Und in einer Szene wird auch die Pränataldiagnostik kritisiert, die kommende Eltern vor die Wahl stellt, sich durch Abtreibung gegen ein Kind mit einer möglichen medizinischen Behinderung zu entscheiden. Es erschüttert mich, wie sehr diese Fragen nach wie vor unsere gesellschaftliche Wirklichkeit prägen.
„Bauchgefühl“ berührt mich und regt zum Nachdenken an. Während in unserer Gesellschaft Menschen mit Behinderung häufig pauschal die Fähigkeit abgesprochen wird, Eltern zu sein, wird auf der anderen Seite von nicht oder nicht sichtbar behinderten Frauen oft erwartet, Kinder zu bekommen. Diese Erwartungshaltung, die in gesellschaftlichen Normen, Bildern und dem ständigen Fragen nach dem Kinderwunsch Ausdruck findet, zwingt viele Frauen in eine Rolle, die sie möglicherweise nicht einnehmen wollen. Die Inszenierung gibt damit Frauen eine Stimme, die das gesellschaftliche Glücksversprechen nach einem Baby als Erfüllung nicht teilen können oder wollen.