Tatort: Olymp

Zu Beginn ist es dunkel auf der Bühne des Theaters RambaZamba in der Kulturbrauerei in Berlin-Prenzlauer Berg. Unter fahlem Licht betritt ein Mann die Bühne – sein Gesicht seitlich im Profil. Es ist Herakles, mit Schlapphut und Trenchcoat. Während er sich zu ruhigem, lässigem Jazz langsam eine Zigarette in den Mund steckt und anzündet, ertönt über Lautsprecher ein Monolog, wie wir ihn aus Kriminalserien wie „Magnum P.I.“ oder aus den CSI-Serien kennen: Dieser Mann ist Herakles; Kommissar Hans-Herakles Janke. Seine Misson? Gerechtigkeit!

Privatdetektiv Hans-Herakles macht sich bereit für den Endkampf: Das Rampenlicht beleuchtet ihn auf der ansonsten dunklen Bühne. Drei Mit-Schauspielende um ihm ziehen sein weißes Hemd aus dem Gürtel und breiten es zu einem weiten Gewand aus. Auf seinem Kopf sein dunkelbrauner Hut und hoch über seinen Kopf hält er seinen Revolver. Hinter ihnen ein Felsen.
Privatdetektiv Hans-Herakles macht sich bereit für den Endkampf; Foto: Holger Rudolph

Und genau darum geht es in „Cold Cases: Antike“ in der Regie von Matthias Mosbach. Die Stückfassung wurde gemeinsam mit Dramaturg Steffen Sünkel und dem RambaZamba-Ensemble entwickelt, und feierte bereits im Juni 2022 seine Uraufführung. Privatdetektiv Hans-Herakles (Hans-Harald Janke) ist niemand anderem als Zeus (Franziska Kleinert) auf der Spur. Denn der Göttervater hat im Laufe seiner Geschichte jede Menge Schandtaten begangen; und die gilt es jetzt aufzuklären, um Zeus ein für alle Mal das Handwerk zu legen.

Kapitel 1 beginnt. Zeus thront auf dem Olymp, ein großer Felsen, praktischerweise mit einem Geländer auf dem Gipfel. An diesem lehnt der Göttervater und schleudert unter donnerndem Gelächter Salven seiner Blitze auf das Publikum herab. Das Lachen wird durch Lautsprecher verzerrt; die Blitze erhellen den Saal mit Stroboskop-Lichtern, werden auf den Felsen projiziert und verleihen der Szene die gewünschte Dramatik. Aber auch Bedrohlichkeit wird spürbar: Dieser Zeus ist kein gutmütiger Sessel- beziehungsweise Thron-Pupser, sondern eine gefährliche Gewalt.

Prometheus (Dirk Nadler) betritt die Bühne in einem einfachen, braunen, fast biblischen Gewand. Verschüchtert, als wisse er, dass ihm nichts Gutes schwant. Denn: Er hat den Menschen das Feuer gebracht, was sein Chef Zeus überhaupt nicht lustig findet. Prompt bestraft dieser Prometheus dafür. Der Schuldige wird an besagten Felsen gebunden, auf dass ihn ein Geier auf Ewigkeit seine Leber herausreißen und verzehren solle. Hört sich (zum Glück) brutaler an als es ist und so nagt der Geier, gespielt von Moritz Höhne, eher behaglich am verdammten Prometheus. So lange bis Kommissar Hans-Herakles den Tatort betritt, den Namen des Täters erfragt, die herausgerissene Leber fachgerecht als Beweismaterial in einen Plastikbeutel wandern lässt und zu guter Letzt den geschundenen Prometheus von seinem Leid befreit und dem Geier eine Backpfeife verpasst. Anschließend folgt ein innerer Monolog über Lautsprecher mit wagemutigem Blick ins Publikum. Hans-Herakles stellt klar: Er will Gerechtigkeit!

Das war Zeus‘ erster Streich, und der zweite folgt sogleich. Und so reiht sich Tat an Tat und Hans-Herakles versucht einzugreifen und zu ermitteln. Erst erscheint Pandora (Eva Fuchs) mit der Eleganz eines Bond-Girls in einem verführererischen, roten Kleid und natürlich: ihrer Büchse. Zu Slow-Rock-Musik tanzt sie reizvoll auf dem Felsen und schüttet den Inhalt ihrer Kiste symbolhaft über die Menschen unter ihr. Zum Glück schreitet unser Kommissar ein und will sie verhaften. „Verhaftet wegen sexy“, so sein Schuldspruch.

Im nächsten Kapitel ist Hans-Herakles Europa auf der Spur. Jenem Mädchen (Rebecca Sickmüller), das sich auf einen großen, weißen Stier setzte und daraufhin für immer verschwand. Zur Lösung der mysteriösen Entführung zieht er sich eine Rinderexpertin aus einer Besamungsstation zu Rate. Ihrer Expertise nach hat es im alten Griechenland keine solchen Stiere gegeben. Was sie so sicher macht? Ihr Doktortitel! Unser Detektiv kombiniert gedankenscharf: „Das war kein Stier! Das war der perverse Himmelsgott!“.

Während Kommissar Hans-Herakles seine Beweise sammelt und Zeus immer weiter auf die Spur kommt, machen sich seine beiden Gehilfen (Anil Merickan und Eva Fuchs) Sorgen um ihren Boss. Er verhalte sich komisch, seit er von einem Blitz getroffen wurde und solle lieber seine Pillen schlucken, anstatt irgendwelche Hirngespinste zu verfolgen. Dieser versucht währenddessen irgendwie an Zeus persönlich heranzukommen.

Die Besuchertür öffnet sich und ein Paketbote betritt den Saal. Hans-Herakles erkennt direkt: Das ist kein gewöhnlicher Paketzusteller, sondern Hermes. Wie praktisch! Er lockt diesen in sein Haus, verprügelt und fesselt ihn. Ganz nach der „Bad-Cop“-Masche prügelt der Privatdetektiv mit von Cartoon-Sounds unterstützten Fausthieben ein Geständnis aus dem Götterboten: Um an Zeus zu kommen, müsse man ihn am besten einfach anrufen.

Nach vollendetem Telefonat ist Kommissar Hans-Herakles bereit für den Endkampf. Zu energetischer Musik verwandelt er sein Outfit, mit Ausnahme des Hutes. Aus dem einfachen Hemd bildet sich ein weites, weißes Gewand, wie es schon die alten Griechen getragen haben. Sein Bart wird weiß gepudert, er greift zum Revolver und erklimmt den Olymp, bereit Göttervater Zeus endlich den Garaus zu machen.

Zeus steht auf dem Olymp, gekleidet in einer glänzenden Robe mit großer Kapuze. Um ihn herum ragen spitze Felsen ins Bild. Aus einer Spalte strömt Rauch nach oben und hüllt den Göttervater ein. Ein bläuliches Licht beleuchtet ihn von unten, während er mit ernstem Blick in die Kamera schaut.
Zeus, der zu bezwingende Bösewicht in „Cold Cases: Antike“; Foto: Andi Weiland

„Cold Cases: Antike“ zeigt: Griechische Mythologie und Detektivgeschichten lassen sich gut verbinden. Mit seinem gelegentlich etwas plumpen, aber auch selbstironischen Humor spielt das Stück immer wieder auf Detektivgeschichten aus Film und Fernsehen an; seien es die lässigen, selbstlobenden inneren Monologe des Protagonisten, fragwürdige Ermittlungsmethoden oder eine scheinbar völlig absurde Romanze zwischen den beiden Gehilfen von Hans-Herakles, wie sie in solchen Serienformaten eben häufig dazu gehört. Franziska Kleinert verkörpert den bösen Zeus, passend, wie einen unangenehmen Nachbarn mit Berliner Schnauze auf seinem Balkon, dem man am liebsten aus dem Weg gehen möchte. Und das will man dem Zeus dieser Inszenierung auf jeden Fall!

Hier und dort könnte der Abend noch etwas an Fahrt zulegen, Übergänge flüssiger ineinander überlaufen. Gleichzeitig verleiht diese teilweise etwas stockende Langatmigkeit der Inszenierung auch eine gewisse epische Qualität, die beim Thema Mythologie nicht unbedingt falsch ist. „Cold Cases: Antike“ hat eine ganz neue Art gefunden, griechische Mythologie zu erzählen und womöglich müssen sich nun auch Odin und Anubis in ihren mythologischen Welten in Acht nehmen – vor dem Privatdetektiv in Schlapphut und Trenchcoat.