Wandern und Erkunden

Kritik in einfacher Sprache

„Songs of the Wayfarer“ von Claire Cunningham ist ein musikalisches Tanztheaterstück. Es wurde am 14. November im HAU 2 aufgeführt. Dort findet gerade das Festival NO LIMITS statt. Es geht es um das Wandern und um die Suche nach dem eigenen Weg. Claire Cunningham ist nicht nur die Hauptperson auf der Bühne, sondern auch die Choreografin. Zu Beginn spricht sie darüber, was das Publikum während der Vorstellung erwarten wird. Zum Beispiel sagt sie, dass es während der Vorstellung mal laute und mal leise Musik geben wird. Dabei schafft sie eine vertraute Atmosphäre, in der sich alle wohl fühlen können.

An der Decke über der Bühne ist ein schmales, weißes Tuch befestigt. Es könnte einen hohen Berg darstellen. Außerdem dient das Tuch als Leinwand für die englischen und deutschen Übertitel. Cunningham beginnt, sich auf der Bühne zu bewegen. Weil sie einen Rucksack und feste Schuhe trägt, sieht sie wie eine Wanderin aus.

Claire Cunningham steht nach rechts gewandt neben einem weißen Tuch, welches von der Decke hängt. Sie trägt Wanderschuhe, Regenmantel und Rucksack und nutzt ihre Krücken. Außerdem trägt sie eine Stirnlampe, welche das einzige Licht im Raum ist.
Claire Cunningham erkundet die Bühne in „Songs of the Wayfarer“, Foto: Michael Bause

Möchte sie den Gipfel des Berges erreichen? Sie läuft auf der Bühne umher. Bald begibt sie sich auch in andere Winkel des Saals. Anscheinend möchte sie das ganze Theater erkunden. Zum Gehen nutzt sie ihre beiden Krücken. Diese scheinen ein wichtiges Symbol in diesem Stück zu sein. Denn auf der Bühne befindet sich auch eine Art Gestell, das aus vielen Krücken besteht. Cunningham setzt sich auf den Boden für eine Pause. Dann baut sie sich ein Zelt aus ihren Krücken und ihrer Regenjacke. Während der Pause, braucht sie ihre Krücken ja nicht zum Gehen. Wie praktisch, dass sie ihr nun als Zelt dienen. Sie sind ihre Begleiter auf der Reise.

Während Cunningham herumläuft, singt sie ein Lied. Das Lied wurde von Gustav Mahler komponiert. Es gehört zu seiner Liedersammlung „Lieder eines fahrenden Gesellen“. Cunninghams Stimme ist kräftig und die Melodie wirkt tiefsinnig. Ich bekomme das Gefühl, dass Cunningham einen ganz persönlichen Teil von sich mit dem Publikum teilt. Nach einer Weile beginnt sie zu tanzen. Jede Bewegung wirkt konzentriert und intensiv. Sie passt zu der langsamen Musik. Auch beim Tanzen nutzt sie ihre Krücken. Sie lehnt sich immer in eine neue Richtung. Dabei verlagert sie ihr Gewicht abwechselnd auf Beine und Krücken. Die Szene wirkt auf mich melancholisch. Ohne Worte teilt sie Emotionen.

Claire Cunningham befindet sich in Bewegung, sie macht einen sehr großen Schritt nach links. Dabei stützt sie sich auf ihre Krücken und blickt konzentriert nach unten. Sie trägt T-shirt, Wanderhose und ist Barfuß. Im Hintergrund befinden sich viele Krücken zu einem Gestell ineinander gesteckt.
Claire Cunningham im Tanz mit ihren Weg-Begleiter*innen, den Krücken; Foto: Michael Bause

Weil sie am Anfang auch gesprochen hat, fühle ich mich ihr nah. Nun nähert sie sich dem Publikum auch mit der Körpersprache des Tanzes. Dann klettert sie sogar durch die Zuschauerreihen und setzt sich auf eine Lehne. Es sieht gemütlich aus, wie sie zwischen uns sitzt. Ich fühle mich, als wären wir alle zusammen auf der Wanderung. Möchten wir alle zum Gipfel des Berges? Oder hat jede*r ein eigenes Ziel vor sich? Cunningham holt eine Brotdose aus ihrem Rucksack. Darin befinden sich eckige Kekse. Sie nennt sie „Shortbread“. Sie kommen aus Schottland, wo sie selbst auch herkommt. Dann teilt sie die Kekse mit einigen Menschen aus dem Publikum.

Mich hat besonders beeindruckt, wie vertraut und respektvoll Cunningham mit dem Publikum umgeht. Sie wirkt offen, mal lustig, aber auch mal traurig und nachdenklich. Cunningham bringt ihre Emotionen mit Tanz, Gesang und Sprache zum Ausdruck. Sie lässt das Publikum nah heran, nimmt es sogar mit auf ihre Wanderung. Wohin die Reise geht? Das muss jede*r für sich selbst herausfinden.